Nun ist die Wahl also gelaufen und viele Wochen des anstrengenden und aufreibenden Wahlkampfes um die Gunst des Bürgers in Köln sind vergangen. Das Ergebnis liegt nun vor uns und wir versuchen uns darüber ein Urteil zu bilden, und unsere persönlichen Schlussfolgerungen zu ziehen. Aber fangen wir einfach mal vorne an…
Zur Bundestagswahl im letzten Jahr waren wir in Köln mit ca. 40 aktiven Piraten im Wahlkampf unterwegs, keiner war länger als 1/2 Jahr Mitglied und nur wenige auch nur wesentlich länger aktive in der Politik. Alles ging drunter und drüber, die finanziellen Mittel mehr als bescheiden und die Materialien fast nicht vorhanden. Aber wir hatten mit dem „Zugangserschwerniss Gesetz“ ein Thema besetzt, welches aktuell in der Presse behandelt wurde und uns dementsprechende mediale Aufmerksamkeit bescherte. Dies erleichterte den Wahlkampf insofern, dass wo kein Material vorhanden war, zumindest durch die Medien entsprechende Erwähnung stattfand. Ansonsten war das Wahlprogramm mit ca. 5 Punkten sehr übersichtlich und wir haben zu vielen Themen mangels Position einfach keine Stellung bezogen. In Köln haben wir mit unserer Mannschaft zur Bundestagswahl knapp 500 Plakate und 15.000 Flyer an etlichen Wahlkampfständen an zentraler Stelle in der Stadt verteilt. Wir konnten so für gesamt Köln mit seinen 821.554 Wahlberechtigten und einer Wahlbeteiligung von 70,6% ein Ergebnis von 1,93% (11.128 Stimmen) für uns erlangen. Weniger als im Bundesdurchschnitt aber mehr als im NRW Durchschnitt (Bund: 2,0% / NRW: 1,7%). Damit war die Piratenpartei nach den fünf Großen (CDU/CSU, SPD, FDP, Grüne & Linke) die Partei, die, noch weit vor den Rechten, die meisten Wählerstimmen auf sich vereinigen konnte.
Nach diesem, für viele aufgrund der anfänglichen Euphorie jedoch recht Ernüchterndem, bei Lichte betrachtet für die erste Bundestagswahl aber sehr gutem Ergebnis sind wir nach einer kurzen Verschnaufpause in den Landtagswahlkampf gestartet. Wir wollten dem Bürger auf mehr Fragen Antworten bieten und haben uns zuerst mit der Erweiterung des Wahlprogrammes beschäftigt. Nach drei Monaten und zwei Landesparteitagen war es vollbracht, ein 57 Seiten starkes Wahlprogramm und 30 Listenkandidaten waren aufgestellt, der eigentliche Wahlkampf konnte beginnen. Leider haben wir auf dem Weg dahin durch interne Positionskämpfe um Parteistrukturen einige unserer Aktiven verloren bzw. so stark demotiviert, dass diese für den eigentlichen Wahlkampf nicht mehr zur Verfügung standen. Mit einer Mannschaft von dann 20 Piraten haben wir in den letzten Monaten ca. 1000 Unterstützerunterschriften, 650 Plakate und 60.000 Flyer in Köln an Wahlkampfständen und Briefkästen verteilt. Wir haben, auch dank externer Unterstützung, nahezu die gesamte Südstadt und einige andere Stadtteile wie z.B. Raderberg, Sülz, Zollstock, Widdersdorf, u.a. mit Briefkastenflyern bestückt. Die Wochenenden nachts in den Partyzonen der Stadt (Friesenstrasse und Kwartier Latäng) verbracht und tagsüber in den Einkaufsstraßen (Schildergasse, Mittelstraße, Rudolfplatz, Hohestraße). Wir haben alle sehr viel Zeit investiert und sind bis an die Belastungsgrenzen und manche sogar darüber hinaus gegangen. Das vorläufige Ergebnis ist auf den ersten Blick mehr als ernüchternd: Bei 705.324 Wahlberechtigten und einer Wahlbeteiligung von 59,8% haben wir 1,82% (7.547 Stimmen) in Köln erreicht und damit mehr als im Landesdurchschnitt von 1,5% aber deutlich weniger als zur Bundestagswahl 2009 und obendrein haben uns in Köln auch noch die Rechten stimmenmäßig deutlich überholt. Dieses Ergebnis muss jetzt erstmal verdaut werden.
Welche Schlüsse können wir daraus ziehen? Wollten wir es eventuell zu vielen recht machen und haben darüber hinaus vergessen, uns entsprechend zu positionieren? Wollten wir nach dem Erfolg der Europawahl und Bundestagswahl zu schnell zu viel? Waren 4 Wahlen (Europawahl, Kommunalwahl, Bundestagswahl & Landtagswahl) innerhalb von einem Jahr für unsere junge Partei einfach zu viel? Wie kann man das Ergebnis deuten?
Im Gegensatz zur Bundestagswahl 2009 haben die Piraten zur Landtagswahl nahezu keine mediale Aufmerksamkeit erhalten und konnten auch nicht mit einem entsprechenden Thema und Alleinstellungsmerkmal punkten. Allerdings gilt es festzuhalten, das wir in Stadtteilen, die wir ordentlich beflyert haben stimmenmäßig weit über dem Durchschnitt (bis über 5%) lagen. Und mit der halben Manpower haben wir die vierfache Menge an Flyern verteilt. Ich möchte davon ausgehen, dass ohne diesen hohen Einsatz das Ergebnis in Köln deutlich schlechter ausgesehen hätte und wir damit die fehlende mediale Erwähnung bis auf 0,11% ausgleichen konnten.
Persönlich möchte ich erwähnen, dass der Wahlkampf zwar sehr anstrengend war, aber ich das letzte 1/2 Jahr auch nicht missen möchte. Die vielen positiven Gespräche, die geführt wurden, die neuen Freunde, die man gefunden hat, die gemeinsamen Ideen und Ziele, die auch weiterhin verfolgt werden und nicht zuletzt die Aussicht als sechste Kraft von den „großen“ wahr- und ernstgenommen zu werden. All dies hat uns zusammengeschweißt und ich bin guter Dinge das Wir in den nächsten Jahren noch viel gemeinsam schaffen können und werden. Allerdings ist uns allen jetzt auch bewusst, dass es nichts geschenkt gibt und wir noch viel Arbeit vor uns haben, bevor wir wirklich an den Türen des Landtages anklopfen werden und zur Schlüsselübergabe kommen.
Also last uns von den Großen lernen und erst einmal auf lokaler Ebene arbeiten und uns etablieren, damit wir wirklich bei den Bürgern ankommen und wahrgenommen werden. Wir sollten uns daran erinnern, warum wir Piraten sind, u.a., weil die da oben zu weit weg von uns sind, uns nicht verstehen und hören wollen. Aber damit wir das Vertrauen der Bürger erlangen müssen wir unten anfangen, ansonsten sind wir ja auch nur die von da oben. Last uns unsere Ideen zur Bürger Partizipation auf lokaler Ebene ausprobieren und die Bürger zu Hause abholen. Wir müssen in die Vereine und Bürgerinitiativen. Wir müssen unsere Themen greifbar machen für jedermann. Wir müssen unsere sachorientierte Politik in die Köpfe bringen, so, dass es bei den Bürgern bei unseren Themen ganz klar ist, wer die Kompetenz hat.
Aber bevor wir damit anfangen können müssen wir unsere eigenen strukturellen Probleme lösen und zusammenwachsen. Der Mitgliederansturm im letzten Jahr hat seine Spuren hinterlassen und Probleme aufgezeigt, diese müssen wir angehen. Erst wenn die Strukturen und Werkzeuge da sind und wir uns nicht mehr selber alle drei Meter auf die Füße treten können wir anfangen uns umso mehr mit den anderen zu beschäftigen. Dann können wir endliche ernsthafte Lokalpolitik betreiben und uns langsam hocharbeiten. Wir müssen uns klar machen, die Politik ist kein Web 2.0 Unternehmen, in dem man mit einer guten Idee von 0 auf 100 kommt, sondern hier gilt es, 80 Mio. Bundesbürgern von einer Idee zu überzeugen.
In der Presse war zur Bundestagswahl mal erwähnt, dass die neue Bürgerbewegung, zu der auch die Piraten zählen, das Potential für 20% hat. Hier liegt also ein großer Schatz begraben, aber um den zu heben bedarf es noch viel Arbeit. Damit wir dieses schaffen können, ist es wichtig unsere Mitglieder einzubeziehen und neue zu gewinnen. Wir haben in Köln > 180 Mitglieder aber aktuell gerade 20 Aktive, hier ist potential und wir müssen Wege finden dieses zu aktivieren und nutzen. Wenn wir dies nicht schaffen werden wir schneller als uns lieb ist ausbrennen und keiner wird mehr da sein der das Licht ausmacht. Ich bin sehr gespannt wie sich die Piraten in NRW und besonders in Köln in den nächsten Monaten entwickeln, davon wird entscheidend abhängen, ob wir nur eine „Protestpartei“ bleiben oder uns zum Zentrum der neuen Bürgerrechtsbewegung entwickeln.
Diese Woche ist noch der Bundesparteitag in Bingen, hier werden wir sicher auch einiges von den andern Piraten zu hören bekommen. Nehmen wir konstruktive Kritik dankbar an und arbeiten wir zielorientiert an der Zukunft, last uns nicht gegenseitig aufreiben. Nach dem Bundesparteitag sollten wir alle in NRW einfach mal 2 Wochen Urlaub von der Partei nehmen und danach gemeinsam die Segel für die Zukunft setzen.
Klarmachen zum Ändern
Thomas !
Quellen:
http://www.stadt-koeln.de/wahlen/bundestagswahl/2009/wahlpraesentation/index.html?ansicht=4&stimme=2&kl=1&typ=1&id=1
http://www.im.nrw.de/bundestagswahl2009
http://www.bundeswahlleiter.de/de/bundestagswahlen/BTW_BUND_09/ergebnisse/bundesergebnisse/index.html
http://www.wahlergebnisse.nrw.de/landtagswahlen/2010/index.html
http://www.wahlergebnisse.nrw.de/landtagswahlen/2010/aktuell/dateien/a000lw1000.html
Hi,
ich bin nach dem Abo der Mailingliste relativ schnell aus der Partei ausgetreten: Wenn solche Kindergarten-Diskussionen tatsächlich „Basisdemokratie“ sind – Viel Spaß weiterhin. Da wurde teilweise über Abholmummpitz hin- und hergeschrieben und das Niveau war grottig.
Wenn es dann noch nicht mal geschafft wird, in jedem Wahlkreis einen Direktkandidaten bestätigen zu lassen (Ein Wochenende mit nem Tapeziertisch und allen Formularen auf nen zentralen Platz + fertig), läßt doch an der ernsthaftigkeit zweifeln.
Wenn ich jetzt von 20 aktiven lese — habe ich wohl meine Zweitstimme verschenkt.
Frustrierte Grüße
Hi Sleepy, danke für das Fazit. Ist zwar ein eher ernüchterndes Wahlergebnis, aber du hast recht: erstmal sammeln, dann weitergucken, wie man es besser machen kann.
zu Wolfram: Für einen Wahlkampf müssen nunmal viele Sachen organisiert werden, sodass es auch zu schnöden Diskussionen über „Abholmumpitz“ kommt anstatt über politische Programmatik. So sieht das eben praktisch im Wahlkampfalltag aus. Muss auch sein. Sollte man sich aber nicht von frustrieren lassen. Denn nach der Wahl, wenn die heiße Phase vorbei ist, werden die Diskussionen auch wieder inhaltlicher. Nicht nur in der Mailingliste, auch auf dem Stammtisch.
Viele Grüße, Anna
Sry, aber wer aufgrund einer Mailingliste aus einer Partei austritt, sollte mal kurz nachdenken. Die Partei existiert nämlich auch tatsächlich in real life, nicht nur in einer Mailingliste. Die übrigens auch noch nicht einmal parteiintern ist…
Zu dem dämlichen Kommentar zu dem mal eben schnell Direktkandidat werden sag ich mal nix. *kopfschüttel*
grüße
wolle
@Sleepy:
Schön geschriebene Analyse, inhaltlich stimme ich weitgehend zu. Ich habe im Prinzip schon die ganze Zeit auf 1,5% Endergebnis geschätzt, einfach weil es Faktoren gibt, gegen die man nicht so einfach ankommt. Damit war ich natürlich der schlimmste Pessimist in der Runde.
Ich sage aber auch, dass wir die 5%-Hürde bis zur nächsten Bundestagswahl dennoch knacken werden, wenn wir es richtig machen. Und dazu gehört die Kommunalpolitik eindeutig.
@wolframcgn:
Gratuliere, du kannst dir bei mir mit nur 5 Minuten Arbeit 1000 Euro verdienen. Alles, was du tun musst, ist bei der nächsten Landtagswahl den zentralen Platz und das Wochenende zu benennen, an dem wir unseren Stand mit den Formularen aufstellen sollen.
Mehr musst du nicht tun. Wir sorgen für durchgängige Besetzung des Standes, sagen wir von 8 bis 22 Uhr, an beiden Tagen natürlich, nebst Piratenflagge und Schirm, damit man uns klar erkennen kann. Wenn wir danach für jeden der sieben Direktkandidaten die notwendigen 100 gültigen Formulare haben, ist das Geld sofort dein, und glaube mir, ich würde es dir mit einem fröhlichen Lachen auf meinem Gesicht aushändigen, in dem Wissen, wie viel massive Arbeit uns durch dich erspart blieb.
Wenn das ganze aber rein zufälligerweise nicht klappen sollte, und es nicht für alle sieben Kandidaten reicht, erbitte ich mir von dir nur zwei Flaschen guten Rotwein im Gegenwert von ca. 40 Euro. Ist doch ein äußerst fairer Deal, oder etwa nicht?
Da haben die Grünen ja mal wieder vielen gezeigt, wie es gehen kann! Und der fiese Einwohner ist nicht so einfach zu manipulieren, wie es die Volksvertreter in der Hauptstadt von Deutschland gern haben wollten. Aber was ist geschehen? Ganz einfach: Die Mehrzahl der Einwohner hält den Anti-AKW-Kurs der Bundesregierung für Verarsche und genau aus diesem Grund haben jede Menge Einwohner in BW das Original gewählt: Das Bündnis 90. Und was sagt uns das? Liebe Volksvertreter, ihr solltet euch schon ein wenig mehr mühe geben und uns keinesfalls für dumm halten – wir können exakt sehen, was eine nachhaltige eigene Sichtweise ist und wer sein Fähnchen bloß in den Wind hält. Da können Parteien wie die Union so viele Plakate [Werbung entfernt] ausdrucken wie sie können, es nützt nichts.